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Am 10. Juni 2023 trat das neue Gesetz über freiwillige Gerichtsbarkeit (veröffentlicht am 2. Juni 2023 in Amtsblatt „Narodne novine“ Nr. 59/23; „GFG“) in Kraft, welches vom kroatischen Parlament in der Sitzung am 24. Mai 2023 angenommen wurde.

Der Zweck der Verabschiedung des GFG ergab sich aus der Notwendigkeit, die normative Regelung der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Republik Kroatien als einer besonderen Art von Zivilverfahren zu modernisieren, das seinem Inhalt nach Merkmale des außergerichtlichen Verfahrens aufweist. Bitte beachten Sie, dass das GFG den ersten und umfassenden Eingriff in freiwillige Gerichtsverfahren nach dem Gesetz über freiwillige Gerichtsbarkeit von 1934 („GFG/34“) darstellt, dessen teilweise Abweichung von materiellen Gesetzen (z. B. Erbrecht, Familienrecht usw.) für die zuständigen Gerichte ein Rechtslabyrinth bei der Anwendung des Verfahrensrechts geschaffen hat, d. h. in welchem ​​Umfang und wann GFG/34 und wann direkt die Regeln des Zivilprozessrechts anzuwenden sind. Neben der Modernisierung wollte der Gesetzgeber eine schnellere und effizientere Verwirklichung der Bürgerrechte gewährleisten, indem er die Lösung bestimmter Arten von Fällen den Notaren anvertraute.

Verfahren, die vor dem Inkrafttreten des GFG eingeleitet und nicht abgeschlossen wurden, werden nach den geltenden oder zuvor angewandten Vorschriften und Rechtsvorschriften abgeschlossen (mit Ausnahme der in dem GFG vorgeschriebenen Ausnahmen).

Zusätzlich zu den allgemeinen Verhaltensregeln in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit enthält das GFG Bestimmungen, die besondere Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Einzelnen regeln, nämlich: Erklärung des Todes einer vermissten Person und Beweis des Todes, freiwillige Schätzung und Verkauf, Gerichts- und Notarhinterlegung, gerichtliche Aufhebung (Amortisierung) von Dokumenten, und Verfahren, Ernennungen, Festlegung von Fristen und andere Maßnahmen. Interessant und worauf wir in den abschließenden Überlegungen insbesondere eingehen werden, ist, dass die sehr häufigen freiwilligen Grenzregelungsverfahren, die Miteigentumstrennung und die Regelung des Verhältnisses zwischen Wohnungseigentümern in der Regelung ausgeklammert wurden.

Das Verhältnis zwischen freiwilligen und zivilrechtlichen Verfahren

Stellt das Gericht vor der Entscheidung in der Hauptsache fest, dass das Verfahren nach den Regeln des Zivilprozesses durchzuführen ist, so setzt es das freiwillige Verfahren mit einer Entscheidung aus und das Verfahren wird nach der rechtskräftig gewordenen Entscheidung über die Aussetzung gemäß der Zivilprozessordnung vor dem zuständigen Gericht fortgesetzt, wobei alle im freiwilligen Verfahren ergriffenen Maßnahmen ihre Wirkung behalten und die mögliche Wiederholung gerichtlicher Klagen nur auf die Verletzung des Zivilverfahrens beschränkt ist.

Besonderheiten der gesetzlichen Regelung freiwilliger Verfahren

  1. Zuständigkeit und Zusammensetzung des Gerichts, Verfahrensbeteiligte und Stellung des Notars

    Im Gegensatz zu Zivilverfahren werden freiwillige Verfahren sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz von einem einzigen Richter entschieden, wobei die Möglichkeit besteht, dass Gerichtsberater und andere autorisierte Gerichtsbedienstete Maßnahmen ergreifen. Für die Schlichtung in freiwilligen Verfahren sind in erster Instanz eigentlich die Amtsgerichte zuständig. Das GFG beauftragte Notare mit der Durchführung des Verfahrens der Vermisstenmeldung (Art. 56 Abs. 2) und des Todesnachweises (Art. 66 Abs. 2) sowie mit der einvernehmlichen Festlegung der Grenzen und der Aufteilung von Miteigentum (Art. 52, Abs. 1. ), während sich die Partei (neben dem Gericht) auch an den Notar wenden kann, um das Verfahren des freiwilligen (öffentlichen) Immobilienverkaufs durchzuführen (Art. 70). Das Gericht behält die ausschließliche Zuständigkeit für alle Familienangelegenheiten (einschließlich unbestrittener Scheidungen, von denen angenommen wurde, dass sie in die Zuständigkeit von Notaren fallen könnte).   Parteien des freiwilligen Verfahrens sind der Kläger und die vom Kläger als Gegenpartei benannte Person, wobei die Stellung der Partei auch für andere Personen anerkannt wird, deren Rechtsstellung durch die Entscheidung des Gerichts unmittelbar berührt werden könnte, beziehungsweise einer anderen Maßnahme, die das Gericht im Verfahren zu ihrem Schutz ergreift. Die Parteien können in freiwilligen Verfahren persönlich oder durch einen Bevollmächtigten klagen, wobei für die Vertretung der Parteien durch einen Bevollmächtigten die entsprechende Anwendung der Zivilprozessordnung vorgeschrieben ist.
  1. Einleitung des Verfahrens und Inhalt des Vorschlags

    Das Verfahren wird auf Antrag einer Partei eingeleitet, doch in den gesetzlich vorgesehenen Fällen wird das Verfahren von Amts wegen durch das Gericht eingeleitet, wobei diese Fälle in erster Linie durch die Regeln des materiellen Rechts geregelt sind, mit Ausnahme des Falles eines Nichtigkeitsverfahrens zur Entscheidung eine vermisste Person als verstorben zu erklären, wenn auf irgendeine Weise bekannt wird, dass die Person noch am Leben ist, wie es im GFG vorgesehen ist.   Der das Verfahren einleitende Vorschlag muss (anders als bei einer Klage im Zivilverfahren) keinen konkreten Antrag enthalten, jedoch sollte daraus klar hervorgehen, welche Entscheidung oder sonstige gerichtliche Maßnahme der Antragsteller beantragt und auf welcher Sachverhaltsgrundlage der Antrag beruht. Ein solcher Ansatz zur Regulierung von Anträgen ermöglicht einen leichteren Zugang zu materiellen Rechten, die in freiwilligen Verfahren ausgeübt werden, da die Möglichkeit eines Formmangels in der Klageschrift selbst, die ein solches Verfahren einleitet, verringert wird.   Im Gegensatz zum Zivilverfahren kann das Gericht im freiwilligen Verfahren die Partei auffordern, innerhalb einer bestimmten Frist zum Vorschlag der anderen Partei oder zum Gegenstand und Ergebnis des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens schriftlich Stellung zu nehmen und die Partei dazu auffordern eine Erklärung vor Gericht abzugeben oder eine Anhörung vereinbaren. Im freiwilligen Verfahren kann das Gericht in den gesetzlich vorgesehenen Fällen eine Anhörung mit allen Parteien oder nur mit den Parteien anordnen, auf die sich bestimmte zu erörternde Sachverhalte beziehen, was einen weiten Ermessensspielraum des Gerichts bei der Durchführung des Verfahrens selbst darstellt.
  1. Gerichtsentscheidungen und Begründung der Entscheidungen

    Im freiwilligen Verfahren entscheidet das Gericht sowohl in der Sache als auch in verfahrensrechtlichen Fragen in Form einer Entscheidung. Neben der vorgeschriebenen angemessenen Anwendung der Zivilprozessordnung hinsichtlich des Inhalts und der Form der Entscheidung sieht das GFG Ausnahmen von der Regel vor, dass die Entscheidung in der Sache zu begründen ist. Somit muss die Entscheidung des Gerichts nicht erläutert werden: i) wenn die Vorschläge der Parteien, die nicht im Widerspruch zueinander stehen, angenommen werden, ii) wenn die Entscheidung dem erklärten Willen aller Parteien entspricht, iii) wenn die Entscheidung im Beisein der Parteien mündlich verkündet wurde und alle Parteien auf den Rechtsbehelf verzichtet haben und iv) wenn die Entscheidung die Eintragung oder Löschung von Eintragungen im Grundbuch zulässt.
  1. Rechtsbehelfe im freiwilligen Verfahren

    Gegen die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts ist eine Berufung zulässig, die dem erstinstanzlichen Gericht vorgelegt wird. Die Berufung wird innerhalb von 15 Tagen nach Zustellung der schriftlichen Entscheidung eingereicht, und die Parteien können innerhalb von acht Tagen nach Zustellung der Berufung eine Antwort auf die Berufung einreichen.   Es gibt eine spezielle Bestimmung des GFG, die besagt, dass auch eine Person, die nicht als Partei am Verfahren teilgenommen hat oder während des Verfahrens nicht als Partei benannt wurde und der die Entscheidung nicht zugestellt wurde, bis zur endgültigen Entscheidung Berufung einlegen kann. Sie kann innerhalb der Frist Berufung einlegen, innerhalb derer eine Partei, die an diesem Verfahren beteiligt war und der die Entscheidung zuletzt zugestellt wurde, Berufung einlegen kann. Nachdem die Entscheidung rechtskräftig geworden ist, kann die Partei, die nicht am Verfahren teilgenommen hat, einen Vorschlag zur Änderung oder Aufhebung der endgültigen Entscheidung einreichen.   Das GFG sieht die Möglichkeit vor, gemäß den Bestimmungen der Zivilprozessordnung Revisionen und Vorschläge zur Änderung oder Aufhebung der endgültigen Entscheidung einzureichen.
  1. Abschließende Überlegungen

    Angesichts der Tatsache, dass die Republik Kroatien der Europäischen Union im Jahr 2013 beigetreten ist, während die anderen Republiken des ehemaligen Jugoslawiens immer noch vor der Herausforderung stehen, den acquis communautaire (gemeinschaftlichen Besitzstand) umzusetzen, ist es gängige Praxis, dass die Republik Kroatien die Erfahrungen des Beitrittswegs auf die Nachbarländer überträgt. Im Hinblick auf freiwillige Verfahren ist dies jedoch nicht der Fall, wenn man bedenkt, dass alle Nachbarländer seit vielen Jahren über ein systematisches Gesetz wie das GFG verfügen, während die Justiz der Republik Kroatien mit der teilweisen Anwendung und Ausnahmeregelungen des GFG/34 zu kämpfen hatte. Allerdings scheint das GFG nicht ohne Mängel zu sein. Durch eine umfassende Betrachtung der neuen und alten Regelung des freiwilligen Verfahrens wird nämlich deutlich, dass das GFG die einvernehmliche Regelung von Grenzen und die Auflösung von Miteigentum regelt, beziehungsweise dass es keine Standardisierung eines solchen Verfahrens auf Antrag nur einer Partei gibt, während das GFG/34 bei solchen Verfahren viele klare Verfahrensvorschriften (lex specialis) enthielt, die ausschließlich für solche realen Gerichtsverfahren galten. Das Fehlen solcher Regelungen führt zu der Schlussfolgerung, dass es auch in diesen Verfahren Lücken geben könnte, die die Gerichte mit der Zivilprozessordnung bzw. mit dem GFG/34 schließen könnten, was daher größtenteils eine große Abweichung der Rechtssicherheit darstellt, doch die wahre Bewährungsprobe des Gesetzes wird sich in der gerichtlichen und notariellen Praxis zeigen.

Autorin und Autor: Ivona Vlahović, Tin Aničić